Inhaltsverzeichnis
Wussten Sie, dass die Auszeichnung „Top Experte“ oft nicht auf objektiven Messkriterien beruht? Hätten Sie gedacht, dass Verlage das Geschäftsmodell „Auszeichnung als Draufgabe“ bzw. „Auszeichnung gegen Gebühr“ sehr offensiv betreiben – und viele Redner, Trainer, Berater und Coaches das mit sich machen lassen? Finden Sie das seriös? Ich nicht. Darum nutze ich die Gelegenheit, um ein wenig Licht in das Geschäftsmodell „Auszeichnung gegen Geld“ zu bringen.
Sollten Sie Quellen von Inverkehrbringer der Auszeichnung „Top Experte“ kennen, die auf objektiven Messkriterien beruhen, dann scheiben Sie mir gerne eine Mail – und ich ergänze den Artikel. Aktuell muss ich aber leider davon ausgehen, dass der Titel „Top Experte“ nicht seriös ist, da er ausschließlich verkauft bzw. Meinungsbildern aus marketinggründen geschenkt wird.
Was zeichnet einen echten Top Experten aus?
Der Weg zum Top Experten, der beispielsweise Vorträge auf Veranstaltungen hält, gelingt in der Regel nicht von heute auf morgen. Oft sind viele Maßnahmen nötig, aus meiner Sicht beispielsweise:
- Als Redner muss man das Thema wirklich durchdrungen haben – und eigene Ideen davon ableiten, um anderen Menschen einen echten Mehrwert bieten zu können. Denn wenn man das Gleiche auf der gleichen Art und Weise sagt wie ein anderer, dann ist doch einer zu viel, oder?
- Es helfen Veröffentlichungen bei renommierten Verlagen, die im Idealfall sich auch einer großen Nachfrage erfreuen. Bestseller Autor wird man also nicht, nur weil man mal für ein paar Minuten mit seinem Buch bei Amazon in irgendwelchen Unterkategorien auf Platz 1 stand – und davon einen Screenshot machte und postete.
- Insgesamt muss das Personenmarketing stimmen. Es reicht also nicht, nur eine tolle Webseite zu haben. Im Idealfall hat man auch viele aktive Fans und Follower in den sozialen Medien, die fleißig liken, teilen und kommentieren.
- Ja, und dann wäre da noch die Bühnenerfahrung. Es reicht nicht aus, nur auf der Bühne zu erzählen – man muss da auch performen. Im Idealfall sagen sich die Menschen im Publikum „Ich mache mir lieber in die Hose, als das ich jetzt den Raum bei diesem tollen Vortrag verlasse.“
- Marketing, Marketing, Marketing: Es erfordert oft viele Ideen, eine Menge Schweiß und auch viel Geld, bis man aus der Masse hervorsticht – und irgendwann nicht nur Auftraggeber sondern auch Medien von sich aus auf einen aufmerksam werden.
In der Regel kennt das geladenes Publikum den Top Experten zumindest schon vorher vom Hörensagen – und kommt meist wegen dieser Persönlichkeit zu der Veranstaltung.
Auszeichnung „Top Experte“ – eine ideale Abkürzung zum Erfolg?
Mal angenommen, ich hätte kurz nach meiner Selbstständigkeit 2009 einen Anruf von einem Telefonverkäufer eines Verlages bekommen:
„Ich habe eine Idee, wie sie mehr Aufträge bekommen: Sie schalten jetzt eine Anzeige für nur 3.900 Euro. Wir berichten ausführlich auf 2 Seiten über sie. Sie werden also richtig super als Top Experte dargestellt, so dass die Leserschaft weiß, dass sie jetzt am Markt sind. Übrigens! Wir haben viele Entscheider und Führungskräfte als Leser – also genau die, die sie buchen. Und als Bonus bekommen sie dann noch ein exklusives Siegel von uns, dass Sie als „Top Experte“ auszeichnet. So machen sie es ihren Geschäftspartnern noch leichter, sich für sie zu entscheiden, wenn sie das tolle Siegel auf Ihrer Webseite und ihren Unterlagen führen. Möchten auch sie dabei sein?“
Natürlich hätte ich als Youngster, der noch grün hinter den Ohren ist, sofort zugegriffen. Klingt doch super – endlich bekommt man einen Weg aufgezeigt, wie man mehr Chanen auf Anfragen erhält – und leichter Geld verdient.
Doch zum Glück kam dieser Anruf damals nicht. Erst ein paar Jahre später, als mein Geschäft schon lief – und ich auf solche unseriösen Machenschaften nicht mehr angewiesen war. Aber so oder ähnlich müssen Sie sich das Geschäftsmodell „Top Titel gegen bezahlte Anzeige“ vorstellen. Andere Verlage schicken auch einfach eine Mail mit solch einem Angebot. Und wenn man dann nicht reagiert, bekommt man wieder eine Mail – oft mit einem Sonderpreis …
Warum ich den Kauf der Auszeichnung „Top Experte“ missbillige
Als Verkaufstrainer bin ich positioniert mit „Ehrlichkeit verkauft„. Seit dieser Positionierung bekomme ich erfreulicherweise nur noch Anfragen von Unternehmern und Führungskräften, die nicht nur ihre Mitarbeiter mögen – sondern auch ihre Kunden. Meine Zielgruppe will nicht kurzfristig etwas in den Markt drücken, sondern eine faire Geschäftsbeziehung und ein gutes Miteinander für alle Beteiligten. Da fühle ich mich wohl. Nach meiner Meinung haben alle Verkäufer eine Verantwortung für das, was sie verkaufen, aber auch für das, was sie nicht verkaufen.Hinter einem Titel oder einer Auszeichnung muss eine Leistung stecken – und nicht nur ein Werbebudget
Hinter einem Titel oder einer Auszeichnung muss eine Leistung stecken – und nicht nur ein Werbebudget.
Oliver Schumacher
Jetzt, wo sie meine Denkhaltung wissen, hier meine Gründe, warum ich Auszeichnungen bzw. Titel gegen Geld als Fehler erachte:
- Für einen Laien ist die Bezeichnung „Top Experte“ etwas Besonderes, ein Qualitätsversprechen. Wie viele Laien es gibt, zeigen alleine die Kommentare, die zur Auszeichnung gratulieren, wenn jemand schreibt „Ich wurde mit „Top Experte“ ausgezeichnet!“ oder gar „Ich wurde in die Liga der Top Experten aufgenommen“. Wenn aber solch eine Bezeichnung jeder „führen“ kann, der einfach mal eine Anzeige schaltet, dann stimmt da was nicht …
- Hat nun ein Veranstalter einen „Top Experten“ gebucht, welcher von einem Verlag ernannt worden ist, aber schlecht abliefert – was dann? Was wird der Veranstalter dann machen? Wird er dann sagen: „Oh, habe ich mich wohl für den falschen entschieden! Na, ist ja nicht schlimm, lief die Veranstaltung eben gegen die Wand – aber beim nächsten Mal hole ich mir einfach einen anderen Top Experten!“? Oder wird er sagen: „Wenn das schon ein Top Experte war, was taugen denn dann erst die anderen? Sowas hole ich mir nicht wieder. Da nehme ich doch nächstes Mal lieber einen Artisten oder einen Zauberkünstler!“. Also: Das Risiko ist groß, dass Experten den gesamten Markt kaputtmachen, wenn die Leistung nicht stimmt bzw. diese nicht Anfragen absagen, die sie mit hoher Wahrscheinlichkeit eh nicht erfüllen können.
- Aber: Wenn man doch als Trainer, Redner, Berater oder Coach Geld in eine Anzeige gesteckt hat, dann möchte man doch das Geld auch möglichst schnell wieder erwirtschaften. Wie wahrscheinlich ist es nun, dass ein Top Experte, der selbst weiß, dass er keiner ist, die Anfrage und damit das Geld sausen lässt, wenn absehbar ist, dass er die Kundenerwartungen nicht erfüllen könnte?
Aus meiner Sicht haben diese Titel auch viel mit mangelndem Selbstwertgefühl zu tun. Denn ich gebe ganz unumwunden zu: Als es bei mir noch nicht lief, stand auf meiner Visitenkarte „Verkaufsexperte„. Aber ist das nicht anmaßend, von sich aus selbst zu behaupten, an sei Experte? Müssen Kunden nicht sogar davon ausgehen können, dass man Profi seines Faches ist, wenn man Geld für seine Leistungen verlangt?
Warum fallen nicht alle auf diese große Lüge rein?
Jeder Veranstalter, der ein wenig Erfahrung im Markt hat, weiß, dass die meisten Auszeichnungen gekauft sind – und kein Qualitätsgarant sind. Kurz: Sie fallen auf sowas gar nicht mehr rein. So rufen viele einfach mal bei den Referenzgebern, die auf der Webseite oder in der Imagebroschüre des Experten aufgeführt sind, an und fragen kritisch nach. Oder sie bitten bisherige Experten, die gut bei ihnen „abgeliefert“ haben – und somit aus deren Sicht top sind, nach Empfehlungen für andere Experten.
Aber was wird der Chef eines mittelständischen Unternehmens machen, wenn er zu einer Speaker-Markt unerfahrenen Person in der eigenen Firma sagt „Organisiere doch mal unsere erste Kundenveranstaltung zum Jubiläum mit 200 Teilnehmern!“ und diese nicht weiß, dass „Top“ ein ungeschützter Begriff ist – und jemanden bucht, der egogetrieben aber nicht leistungsgetrieben einen solchen Top – Titel führt?
Sind die Titel „Top Experte“ alle gekauft?
Ich kenne nicht alle Inverkehrbringer. Aber ich weiß, dass auch viele „Auszeichnungen“ verschenkt werden – oder gegen eine symbolische Gebühr erhältlich sind. Die Idee ist die: Um als Verlag den Titel „Top Experte“ besser – also hochpreisig – verkaufen zu können, ist es natürlich sehr förderlich, wenn man von den Werbeunterlagen her Zielkunden suggerieren kann, dass es sich um einen ganz elitären Kreis handelt, der solche „Titel“ „führt“. Dazu ist es durchaus üblich, erst einmal Meinungsbilder der Branche „auszuzeichnen“ – und diesen im Zweifelsfall den „Titel“ zu schenken oder gegen eine symbolische Gebühr im Rahmen eines werbewirksamen Fotoshootings zu überreichen. Denn wenn erst mal 30 anerkannte Meinungsbildner einen solche Titel führen, ist es auch leichter, weitere für diesen zu gewinnen, die dann dafür auch richtig Geld hinlegen.
Manche renommierten Experten finden es ganz toll, wenn sie dann plötzlich ungefragt eine Urkunde in der Post liegen haben, die sie als „Top Experte“ kürt. Andere sind darüber sehr entsetzt. Denn nicht jeder möchte von irgendeinem Magazin ausgezeichnet werden. Erst recht dann nicht, wenn man weiß, warum man diese gratis Auszeichnung bekommen hat.
Ein Experte, der nicht lange im Markt ist, wird denken „Hey, wenn diese führenden Experten in diesem elitären Top Experten Kreis sind – dann möchte ich da auch rein. Vielleicht strahlt ja etwas von denen auf mich ab!“.
Kurz: Die, die schon erfolgreich sind, bekommen in der Regel Auszeichnungen gratis hinterhergeschmissen, damit andere (unerfahrenere?) Experten schneller bereit sind, Anzeigen zu schalten. Ist das fair? Nein. Das ist Verarschung. Nicht nur gegenüber den Experten, Speakern und Trainern, sondern auch gegenüber der Leserschaft. Wenn Verlage heutzutage „Auszeichnungen“ verkaufen, also käuflich sind, dann hat dies für mich einen sehr schlechten Beigeschmack. Wenn also gewisse „Top Experten“ Fake News sind – was ist denn noch alles in dem Medium gekauft bzw. wurde der Gewinnmaximierung unterworfen? Brauchen wir vielleicht sogar eine Kennzeichnung für Medien, die es nicht ganz so ernst nehmen mit der Wahrheit? Oder kann man davon ausgehen, dass die Leserschaft schlau genug ist – und einfach solche Medien meidet?
Und nun? Wie entlarven Sie die gekauften von den echten?
Als Veranstalter lohnt es sich für Sie weiterhin, Experten zu beauftragen. Sie müssen sich nur absichern, da Auszeichnungen eben oft Schall und Rauch sind: Gucken Sie sich Videos von den Referenten an, die in Ihre engere Wahl fallen, oder gehen Sie mal zu einem Vortrag von der Person hin – und setzen sich ins Publikum. Auch macht es Sinn, die veröffentlichten Referenzen auf der Webseite oder dem Prospekt abzutelefonieren. Ebenfalls kann auch ein Blick in den elektronischen Bundesanzeiger sehr aufschlussreich sein. Denn über Erfolg zu reden, ist immer noch etwas anderes, als selbst wirtschaftlich erfolgreich zu sein.
Sollten Sie auf einen Experten treffen, der sich als Bestseller Autor ausgibt, haken Sie hier sofort nach! Wann? Mit welchem Werk? Auf welcher Liste? Anhand der Qualität der Antworten sollten Sie dann gleich entscheiden, ob die Person wirklich für eine Ihrer Veranstaltungen geeignet ist – oder ob Sie lieber weitersuchen.
Sie sollte als Leser kritisch sein. Rufen Sie doch mal beim Verlag an und fragen, wo denn die exakten Auswahl- und Bepunktungskriterien stehen – und weshalb diese nicht gleich mit veröffentlicht worden sind. Sollte Ihnen die Antwort nicht gefallen, denken Sie doch mal über eine Kündigung des Abos nach, sofern Sie nicht ausschließen können, dass auch andere Beiträge aufgrund von finanziellen Gegenleistungen dort ebenfalls nicht als Werbung gekennzeichnet sind. Denn wozu sollten Sie für ein Magazin Geld bezahlen, wenn auch schon diejenigen viel Geld bezahlen, über die berichtet wird? Dann kann das Magazin doch gleich gratis verteilt werden!?
Und als Speaker, Trainer, Berater, Coach bzw. Experte? Wir müssen uns wehren! Wir dürfen kein Geld für Auszeichnungen zahlen. Das ist lächerlich! Die, die Titel ohne Rücksprache vom Verlag geschenkt bekommen, sollten Mut haben – und das offen kommunizieren – und gegebenenfalls gegen eine solche Praxis juristisch vorgehen. Es kann doch nicht richtig sein, dass sich die Beschenkten von den Verlagen vor deren Karren spannen lassen, damit diese ihre Anzeigen verkaufen – und den Markt einlullen.
Melden Sie sich zum „Vertriebsfrühstück“ an.
Was zeichnet echte Top Experten aus?
Nach meiner Meinung stehen echte Top Experten für etwas. Zum Beispiel für eine Meinung, die dem Mainstream fundiert und logisch widerspricht. Also, liebe Kollegen: Lasst uns voran gehen – und für Werte wie Ehrlichkeit, Wertschätzung und Vertrauen kämpfen. Denn das ist genau das, was die Menschen wollen.
Übrigens: Ich habe nicht nur ein Problem mit dem Modell „Auszeichnung gegen Geld“, sondern auch mit dem Geschäftsmodell der Banken. Das habe ich mal in einem Video genauer beleuchtet:
Buchempfehlungen
Bullshit Busters: 21 Irrtümer und Mythen aus Vorträgen, TV und Büchern
Christoph Wirl und Axel Ebert
Locker durchzulesendes Buch mit vielen Aha-Effekten. Von der Hummel, die nicht weiß, dass sie nicht fliegen kann bis zur Allmacht des positiven Denkens.
Wenn Manager auf Bäume klettern …: Mythen der Personalentwicklung und Weiterbildung
Uwe Peter Kanning
Dieses Werk gibt einen Einblick in gängige Trainingsangebote, die kritisch aus der wissenschaftlichen Sicht auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden.
Seit ich lüge, läuft der Laden – So machen selbsternannte Experten auf Boss, obwohl sie nur Hugo sind
Nils-Peter Hey, Felix Maria Arnet, Roman Kmenta, Heinrich Kürzeder, Markus Reimer, Christina Teuthorn-Mohr, Sonja Veelen
Dieses Werk macht auf gängige Tricks aufmerksam, die manche Experten nutzen, um sich größer bzw. wichtiger zu machen, als wie sie tatsächlich sind.
Volksverdummung statt Persönlichkeitsentwicklung – Training und Coaching unter der Lupe
Walter Simon
Der Autor macht eine Eigenuntersuchung, indem er 15 unterschiedliche gängige Persönlichkeitstests durchläuft, um festzustellen, ob oder wie die Ergebnisse voneinander abweichen.
* Bei allen Links zu Amazon handelt es sich um Affiliate Links. Sollten Sie also dort etwas über den Link bestellen, bekomme ich eine kleine Vermittlungsprovision, ohne das sich Ihr Einkaufspreis ändert.