„Wer Angebote schreibt, ohne zu verkaufen, hat vergeblich gearbeitet“ ist eine meiner Lieblingsaussagen. Aber zugegeben: In der heutigen Zeit freuen sich auch manche Anbieter, wenn Interessenten gewisse schriftliche Angebote nicht (mehr) in Anspruch nehmen, da die eigenen Beschaffungspreise massiv gestiegen sind – und der Verkauf zu den angebotenen Preisen ein Verlustgeschäft geworden wäre.

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Aber was können Sie tun, um dennoch Angebote zu schreiben – und im Auftragsfall keine Verluste aufgrund Ihrer gestiegenen Einkaufspreise zu erleiden, sondern Ihre kalkulierten Deckungsbeiträge und Gewinne einzufahren? Hierzu habe ich mich mit Andy Weichler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht der Kanzlei PKF WMS unterhalten.
Greifen aufgrund des Krieges in der Ukraine Klauseln zur „höheren Gewalt“, so dass Anbieter bis zum Ende dieser Krise von ihrer Leistungspflicht zu den angebotenen Leistungen befreit sind, wenn ihre eigenen Beschaffungspreise deutlich gestiegen sind?
Momentan dürften, sofern Klauseln zur höheren Gewalt vertraglich vereinbart sind, diese nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen. Bei den meisten Klauseln zur höheren Gewalt muss gerade das Leistungshindernis auf der höheren Gewalt beruhen. Dies bedeutet, dass eine Leistung auf Grund des kriegerischen Ergebnisses nicht erfolgen kann. Allein steigende Beschaffungskosten sind hier nicht ausreichend.
Bei vielen Unternehmen sind die Energie- und Beschaffungskosten in den letzten Monaten gestiegen. Wieso können diese nicht so ohne weiteres weitergegeben werden?
Auch heute gilt immer noch der alte Rechtssatz „pacta sunt servanda“, also Verträge sind einzuhalten. Wenn ich einen Preis vertraglich vereinbart habe, kann ich grundsätzlich nicht später einen höheren Preis verlangen, auch wenn diese aus steigenden Energie- und Beschaffungskosten resultieren.
Ist es in der heutigen Zeit besser, anstatt „unverbindliche Angebote“ lieber „freibleibende Angebote“ zu schreiben.
Hier kommt es insbesondere darauf an, ob der jeweilige Vertragspartner die Begriffe „unverbindliches Angebot“ oder „freibleibendes Angebot“ versteht. Hier muss somit geschaut werden, ob der Käufer geschäftserfahren genug ist und versteht, was beide Begriffe bedeuten. Im B2C-Geschäft kann es hieran oftmals ermangeln. Letztendlich möchte der Verkäufer mit seinem unverbindlichen Angebot noch kein rechtlich bindendes Angebot abgeben, sondern lediglich den Käufer dazu einladen, ein eigenes Angebot abzugeben. Dies ist auch bekannt aus dem Onlinehandel. Hier wird eine Bestellung zumeist erst wirksam, wenn eine Bestellbestätigung per E-Mail an den Käufer gesendet wird. Vorher kommt kein Vertrag zustande. Der Verkäufer kann somit bis zur letzten Sekunde entscheiden, ob er sein unverbindliches Angebot tatsächlich halten kann oder den Vertragsschluss ablehnt.
Sie empfehlen, nicht nur in der Betreffzeile des schriftlichen Angebotes „freibleibendes bzw. unverbindliches Angebot“ zu schreiben, sondern darauf auch noch mal gezielt im Angebot selbst einzugehen. Wieso?
Wie bereits gesagt, ist nicht immer ersichtlich, ob sich dem Kunden diese beiden Begriffe tatsächlich in seiner gesamten Tragweite erschließt. Daher ist der sicherste Weg in einem Satz am Ende des Schreibens oder der E-Mail darauf hinzuweisen, dass dies kein rechtlich verbindliches Angebot ist, sondern lediglich eine Aufforderung zur Angebotsabgabe an den Kunden.
Wie kann ich möglichen Schadensersatzansprüchen meines Kunden vorbeugen, wenn ich selbst nicht beliefert werde?
Sofern Sie selbst nicht beliefert werden können, sollte entweder in den Vertrag oder in den allgemeinen Geschäftsbedingungen eine sog. Selbstbelieferungsklausel aufgenommen werden. Die Voraussetzungen sind, insbesondere wenn es sich um eine AGB handelt, jedoch recht eng. So muss beispielsweise ebenfalls ein Deckungskauf bei einem anderen Lieferanten versucht worden sein.
Insbesondere Handwerker sind ja dafür bekannt, dass sie gerne Aufträge annehmen, auch wenn sie wissen, dass sie den Fertigstellungstermin nicht einhalten können. Das war leider auch für viele Handwerker schon vor der Krise ganz normal. Wird denn hier nicht mit der Selbstbelieferungsklausel solchen „windigen“ Handwerkern Tür und Tor geöffnet?
Nein, hierdurch wird diesen Handwerkern nicht Tür und Tor geöffnet. Der Handwerker muss seinerseits beweisen, dass dieser versucht hat, das fehlende Material bei weiteren Lieferanten zu erwerben. Wenn er die Baustelle nur nicht abarbeiten kann, da er die Zeit nicht hatte, hilft ihm die Selbstbelieferungsklausel ebenfalls nicht weiter.
Angenommen, ein Kunde bestellt etwas zu einem Fixtermin – egal ob die Fertigstellung einer Dienstleistung oder die Lieferung eines Produktes. Wenn nun der Auftragnehmer nicht rechtzeitig liefert – welche Möglichkeiten hat denn dann ein Kunde im Rahmen eines B2C-Geschäftes?
Sofern tatsächlich ein absolutes Fixgeschäft vorliegt, die Leistung somit zu einem ganz bestimmten Termin erfolgen muss und nicht nachgeholt werden kann (bspw. Catering bei einer Hochzeit), liegt Unmöglichkeit vor. Dies bedeutet, dass der Vertrag nicht mehr zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt werden kann, da die Leistungserfüllung unmöglich geworden ist. Regelmäßig ist hier sodann auch ein Schadensersatz zu leisten.
Sollte es sich um ein relatives Fixgeschäft handeln, die Leistung also mit dem Termin „Stehen und Fallen“ aber nachholbar ist (Eröffnung einer neuen Filiale), so stehen dem Kunden die allgemeinen Rechte der Leistungsstörung zu, wie Schadensersatz, Rücktritt und Minderung.
Wie können Unternehmen Preisgleitklauseln rechtswirksam einbinden und nutzen?
Die Einbindung von Preisgleitklauseln ist oftmals schwierig, da die Rechtsprechung erhebliche Anforderungen an die Ausgestaltung solcher Klauseln hat, damit ein Vertragspartner nicht übervorteilt wird. Allgemein lässt sich jedoch festhalten, dass Preisgleitklauseln individuell bei Vertragsschluss zwischen den Parteien verhandelt sein sollten und so ausgestaltet sein müssen, dass die Preisanpassung in beide Richtungen (Erhöhung oder Vergünstigung) funktionieren.
Können auch allgemeine Preissteigerungen vereinbart werden?
Dies ist ebenfalls möglich, sogar in allgemeinen Geschäftsbedingungen. Hier sind eine Vielzahl von Einzelheiten zu beachten, beispielsweise welche Faktoren entscheidend sein sollen für eine Preisänderung und wann diese eintreten soll.
Am besten scheint es zu sein, Kunden „umzuberaten“. Also das man sie bittet, nicht mehr auf die angebotene Komponente A zu bestehen, sondern die Komponente B zu nehmen. Vermutlich sind auch viele Kunden damit einverstanden, wenn die Komponente B schneller lieferbar ist – und es von der Qualität keinen entscheidenden Unterschied macht. Aber so käme man dann raus, die Komponente A zum angebotenen Preis zu liefern – und nun die Komponente B zum aktuellen Preis zu verkaufen, oder?
Wenn die Komponente A vertraglich vereinbart wurde, gilt dass diese auch geliefert werden muss. Möchten die Parteien nun übereinstimmend, dass die Komponente B geliefert wird, da diese bspw. schneller verfügbar ist, rate ich dazu dies vertraglich in einem Nachvertrag festzuhalten. Ansonsten könnten in der späteren Abwicklung erhebliche Probleme entstehen. Im Rahmen des Nachvertrages können sodann auch abweichende Preise vereinbart werden.
Haben Sie sonst noch einen Tipp?
Wie aufgezeigt können Klauseln zur höheren Gewalt oder zum Selbstbelieferungsvorbehalt für Verkäufer und Lieferanten von erheblicher Bedeutung sein. Daher ist es meines Erachtens notwendig, dass erstens die allgemeinen Geschäftsbedingungen an die herrschende Rechtsprechung angepasst werden und zweitens in jedes Angebot wirksam einbezogen werden.
Kontakt:
Wenn Sie juristische Fragen haben, wenden Sie sich gerne direkt an den Rechtsanwalt Andy Weichler.